Starke Frauen mit Migrationshintergrund und ihre Wege in die Berufswelt

„Wenn Frauen feiern, dann richtig. Sie feiern starke Frauen und das mehrere Tage lang – mit der 30. Brandenburgischen Frauenwoche in Cottbus, die nicht zufällig um den internationalen Frauentag herum vom 6. bis 17. März 2020 in Cottbus stattfindet“, begrüßte Charlotte Kruhøffer, eine unserer beiden Projektleiterinnen die Gäste des Abends. So trafen sich in der Cottbuser Beratungsstelle der KAUSA Servicestelle Brandenburg (in der Sandower Straße 6) fast 25 Frauen unterschiedlicher Herkunft, um sich über ihre Erfahrungen und Wege in die Berufswelt hier in Deutschland auszutauschen.

Dass es für keine der Migrantinnen einfach war und sie teilweise absurd erscheinende Schwierigkeiten zu bewältigen hatten und immer noch haben, wurde deutlich, als sie begannen zu erzählen.

Loretta Andreasian kommt aus dem Iran. Als sie vor 20 Jahren in Deutschland ankam, hatte sie zwar keinen Schulabschluss, konnte aber schon mehrere Sprachen sprechen, arbeitete deshalb, beim Jobcenter und später bei der IHK als freie Übersetzerin, gründete dann eine Familie, zog ihre drei Töchter groß und brachte sie auf einen guten Weg. Weil Frau Andreasian arbeiten ging und nebenbei mit Anfang / Mitte 30 den Schulabschluss irgendwann nicht mehr nachholen konnte, war auch an Ausbildung oder Studium nicht mehr zu denken. Also fing sie, als die Töchter größer waren, bei der Diakonie im Pflegebereich zu arbeiten an. Hier hat sie inzwischen mehr als fünf Jahre Berufserfahrung und fühlt sich gut aufgehoben und beruflich angekommen. Ihr Chef möchte sie fördern, bietet ihr sogar eine Leitungsposition an, aber das ist ohne Abschluss Neuland. Nun kämpft sie um eine Möglichkeit, die Stelle antreten zu können, mit ihrer Berufserfahrung und offensichtlich persönlicher Eignung – auch ohne formale Qualifikation. Ob das klappt, ist offen.

  

  

Ihre Geschichte unterscheidet sich von der von Geisteswissenschaftlerin Dr. Irene Lazarova, die aus Bulgarien nach Deutschland kam und hier feststellen musste, dass sie damals, als es noch keine Integrationsprojekte wie heute gab, für die ersten zwei Jahre nach ihrer Ankunft keine Arbeitserlaubnis und damit keine Chance auf einen Arbeitsplatz bekommen würde. Also nutzte sie die Zeit, fing an Gesetze zu übersetzen, um Deutsch zu lernen, nutzte schließlich eine Lücke im Gesetz und arbeitete für ihre Promotion. Sie berichtet über den Kulturschock, den Migrantinnen und Migranten erleben, wenn sie in ein fremdes Land kommen. Sie erzählt über ihre Erwartungen, darüber, wie sie typische Krisen bewältigt, ihre Kulturinseln, z.B. einen Laden mit bulgarischem Lebensmitteln entdeckt hat, ihre ersten Berufserfahrungen als Referentin in einem deutschen NGO sammeln konnte und über ihr Ankommen beim Bildungsträger des DGB, „Arbeit und Leben“. Sie hat am Anfang einen Umweg genommen, der sie zum Ziel geführt hat.

Anne Diadik ist eine junge Sozialarbeiterin, die aus der Ukraine stammt. Als sie 2012 für ihr Masterstudium herkam, musste sie ein zweites Mal studieren, weil ihr ukrainisches Studium hier nicht anerkannt wurde. Nach zusätzlichen eineinhalb Jahren hat sie nun praktisch zwei Bachelorstudiengänge mit demselben Inhalt absolviert – weil ihr hier im Masterstudium gesagt wurde, sie könne keinen deutschen Maserabschluss erhalten, wenn sie nicht auch einen anerkannten deutschen Bachelorabschluss vorweisen kann. Also musste sie 13 Bachelor-Prüfungen nachholen, hat das mit viel Disziplin durchgestanden und dann endlich in Cottbus auch ihren Master in Sozialarbeit bekommen und schließlich ihrem Traumberuf.

Als junge Sozialarbeiterin hat sie es mit viel Kraft geschafft, hier anzukommen und Arbeit in ihrem Wunschberuf zu finden. Das sei in ihrem Beruf in Cottbus, nur über die üblichen Bewerbungen auf freie Stellen aber fast unmöglich, sagt Anne Diadik. Deshalb ist sie zu Messen und Fachkongressen für soziale Arbeit gegangen und hat dort Kontakt mit Arbeitgebern gesucht. So hat sie ihren derzeitigen Chef kennengelernt. Das war für sie der erfolgreiche Weg. Für Anne Diadik ist Deutschland „ein wunderschönes Land, in dem sie selbstständig leben und als Frau gleichberechtigt arbeiten kann… Dafür bin ich dankbar. Ich bin eine stolze Sozialarbeiterin. Ich möchte hier gut arbeiten und ich weiß, dass ich das kann.“

Dr. Irena Lazarova sagt: „Es hat zwar deutlich länger gedauert hier eine Arbeit zu finden, als zu promovieren, aber jetzt bin ich auf einem guten Weg. Das ist das Entscheidende.“

Loretta Andreasian ist vor allem froh, dass ihre Töchter hier einen Schulabschluss und einen Beruf bekommen konnten, mit dem sie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Sie sagt: „Auch wenn es für mich selbst zu spät für einen Schulabschluss ist, habe ich hier so viel gelernt, was mir im Beruf nutzt. Mein Chef will mich behalten und hat mir eine Stellvertreterstelle angeboten. Das würde ich sehr gern annehmen.“

Alle drei Frauen haben die Erfahrung gemacht, dass man es als Migrantin oder Migrant leichter hat, seinen Berufseinstieg zu schaffen, wenn es Brücken gibt, die das ermöglichen – sei es ein anerkannter Studienabschluss, eine Gesetzeslücke oder ein hilfsbereiter Chef. Für junge Frauen, die noch keine Berufsausbildung haben, könne die KAUSA Servicestelle so eine Brücke sein. Dafür arbeitet sie eng mit den Partnern in Unternehmen und ihren Netzwerken zusammen.

Eingeladen hatten dazu neben KAUSA, eine ihrer Trägerinstitutionen der „Arbeit und Leben DGB/VHS Berlin-Brandenburg e.V.“, das Projekt „Zukunftszentrum Brandenburg“ und der Ver.di Bezirk Cottbus.