Es wollen mehr Flüchtlinge eine Ausbildung, aber die Wege bleiben lang
KAUSA Servicestelle Brandenburg (H. Mielke, bbw)
Wie die anderen Berater*innen bei KAUSA, will auch Kürsat Alper Milicic junge Migrantinnen und Migranten so schnell es geht in Ausbildung bringen. Er ist von Anfang an im Projekt, berät nun im zweiten Projektjahr im Norden Brandenburgs, damit weniger Ausbildungsplätze im Land frei bleiben. Wir fragen ihn, wie er die Situation einschätzt.
Am 5. August ist es soweit. Das neue Ausbildungsjahr beginnt. In diesem Jahr im Land Brandenburg sogar für mehr Jugendliche als im Vorjahr. Können Sie schon sagen, wie viele von den jungen Migrant*innen, die Sie beraten haben, Ausbildungsplätze besetzen werden?
K. A. Milicic: Es werden hoffentlich mehr sein, als die fünf oder sechs vom Vorjahr. Aber genau weiß ich es noch nicht.
Warum nicht?
K. A. Milicic: Es haben noch längst nicht alle Bewerber*innen Rückmeldungen von den Betrieben. In Oranienburg und im Norden Brandenburgs habe ich im vergangenen Jahr ca. 40 junge Leute zu Berufen und Ausbildungsmöglichkeiten beraten, viele davon mehrfach. Hier gibt es viele landwirtschaftliche Betriebe, viel Handwerk, die Auszubildende suchen. Ich habe deshalb Treffen mit Unternehmen organisiert, Praktika, Einstiegsqualifizierungen (EQ) etc. vermittelt und noch unversorgte junge Leute aus dem Vorjahr motiviert, sich auf offene Stellen zu bewerben. Ob sie es immer getan haben, weiß ich noch nicht in jedem Fall zuverlässig. Und einige haben sich auch mehrfach beworben. Da ist noch offen, wie sie sich bei Zusagen entscheiden. Bei anderen weiß ich nicht, ob sie sich wirklich beworben haben, wie angekündigt. Ich bin gerade dabei überall nachzuhaken…
Wann ist denn mit den Rückmeldungen der Betriebe zu rechnen?
K. A. Milicic: Spätestens in dieser Woche müssten sie ja kommen. Dann erfahre ich hoffentlich auch schnell davon.
Wie lange können Ausbildungsinteressenten noch nacheinsteigen oder sich umentscheiden?
K. A. Milicic: So lange wie die Betriebe, Berufsschulen und die IHK das noch zulassen. Ca. 4 – 6 Wochen. Aber dann haben sie viel nachzuholen. Das ist immer schwierig. Auch wenn mir auffällt, dass die Ausbildungsinteressenten mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung in diesem Jahr deutlich besser Deutsch sprechen als die im vorigen. Außerdem wissen schon sie viel mehr über Deutschland und darüber, was sie einmal machen wollen.
Heißt das, es ist für Sie einfacher geworden, sie auf die Berufswahl vorzubereiten?
K. A. Milicic: Sprachlich und vom Grundverständnis her oft ja. Aber natürlich sind die Vielfalt der Berufe und die Ausbildung an sich für viele immer noch völlig unverständlich, kompliziert und zu formal. Weil sie es so nicht kennen. Für mich ist die Arbeit dennoch einfacher geworden, weil ich inzwischen in Oranienburg und Umgebung ein Netzwerk von Institutionen und Betrieben habe mit vielen guten Kontakten. Inzwischen kennen auch viele Migrant*innen und Flüchtlinge aus der Region die KAUSA Servicestelle und wissen, wie und wo sie uns in Oranienburg oder Cottbus erreichen. Außerdem profitieren wir von den Erfahrungen aus unserem ersten Projektjahr. Das macht die Arbeit leichter und insgesamt sicherlich auch erfolgreicher.
Was sagen die Jugendlichen und die Betriebe? Gehen sie leichter aufeinander zu?
K. A. Milicic: Teils, teils. Die jungen Leute, die zu mir kommen, wollen arbeiten. Schnellstmöglich. Sie wissen meist schon aus der Schule, dass es in Deutschland am besten über eine Ausbildung geht. Das ist gut. Die Unternehmen denken sehr unterschiedlich. Viele haben inzwischen Ausbildungserfahrungen mit Migrant*innen, gute oder weniger gute und, sie wissen besser Bescheid über Aufenthaltsfragen. Viele wissen auch, dass ihre internationalen Azubis meist etwas mehr Unterstützung brauchen, aber auch, dass es viele Möglichkeiten gibt, welche zu bekommen.
Im vergangenen Jahr sind viele Ausbildungsverträge an den Entfernungen zwischen Wohnort, Betrieben und Berufsschulen gescheitert. Wie ist das in diesem Jahr?
K. A. Milicic: Das bleibt solange ein Problem, wie es nicht genug öffentlichen Nahverkehr, z.B. auf dem Land, gibt. Da ist das 1 Euro-VBB-Abo-Ticket pro Tag für alle Azubis und Berufsschüler ein guter erster Schritt. Aber viele unserer Ausbildungsinteressenten fragen nach der Möglichkeit, mit der Ausbildung einen Führerschein machen zu können. Das ginge z.B. in einigen landwirtschaftlichen Berufen, aber die stehen leider nicht auf der Wunschliste.
Machen Traktor und Mähdrescher die Landwirtschaft nicht selbst für Technikfans attraktiv?
K. A. Milicic: Kaum. Die Betriebe der Tier- oder Pflanzenproduktion sind meist zu weit weg von den Wohnorten und, die Berufe haben kein gutes Image. Auch wegen der relativ geringen Löhne. Und es ist trotz großer Maschinen sehr harte Arbeit. Ich war bei großen und kleinen Futtermittelproduzenten und Milchproduzenten. Alle suchen Azubis, aber keiner will dahin. Das gilt auch für die Pflege. Vor allem die Altenpflege. Weniger für die Krankenpflege. Ich denke, hier müssen einige Betriebe und Kommunen noch etwas flexibler und ideenreicher werden, wenn sie wirklich Azubis gewinnen wollen. Da unterscheiden sich Migrant*innen kaum von Einheimischen. Vielleicht macht mal jemand E-Mobil-Verleihstationen auf… Aber auch die kosten Geld.
Welche Berufe sind denn auf der Wunschliste oben?
K. A. Milicic: An erster Stelle bei den Männern der Kfz-Mechatroniker, dann Elektriker und Bürojobs. Bei den Frauen Schneiderin, Modedesignerin, Friseurin, Kosmetikerin, Erzieherin, Krankenschwester.
Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Hindernisse für den Beginn von Ausbildungen?
K. A. Milicic: Bei einigen die fehlende Schulbildung. Die wenigen Jahre in Deutschland können das meist nicht ausgleichen. Und bei denen die im Heimatland studiert haben, geht es oft lange um den Versuch die Abschlüsse anerkennen zu lassen. Das klappt oft nicht. Und selbst wenn, ist es schwierig passende Arbeit zu finden. Ich hatte jemanden, der in Syrien Anlagenmechanik studiert hatte, die Studienanerkennung hat er bekommen, aber alle Firmen haben schnell festgestellt, dass er nicht abschlussgerecht arbeiten kann, weil sein Studienwissen veraltet ist und Berufserfahrungen nicht zu den hiesigen Anforderungen passen. Nun beginnt er endlich mit einer Ausbildung. Ansonsten sind die Hemmnisse wie bei deutschen Jugendlichen: Entfernungen, Kosten und Zeit für die Fahrten… Und sie machen sich dieselben Gedanken über Wohnraum und Kitaplätze in der Nähe und möchten nicht von Familie und Freunden getrennt sein.