Erfahrungsaustausch mit Delegation aus Schweden

Zu einem kurzen Erfahrungsaustausch über die Erfolgsfaktoren und Hürden beruflicher Integration von Zuwanderern kam am 25. Oktober 2018 eine zehnköpfige Delegation aus dem schwedischen Eskilstuna ins Cottbuser Haus der Wirtschaft. Sie wollte hier vor allem die Betriebliche Begleitagentur bea-Brandenburg und die KAUSA Servicestelle Brandenburg kennenlernen, war aber vor allem daran interessiert zu erfahren, wie beide, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen, ihre Projektziele umsetzen. Für uns und bea war besonders interessant, wie die schwedische Arbeitsagentur und die staatlichen Institutionen mit den Kommunen in einer mit Ostbrandenburg in vielen Punkten vergleichbaren Region zusammenarbeiten und die berufliche und soziale Integration von Migrant*Innen organisieren.

In der Region Eskiltuna leben vergleichbar mit Cottbus etwas mehr als 100.000 Menschen. Pro Jahr kommen dort ca. 1.000 Migrant*Innen an. Es leben dort etwa 12 % Migrant*Innen. Cottbus hatte laut MOZ vom 21.04.2018 einen Migrantenanteil von 8,4%, davon ca. 3,16% Geflüchtete. Die Arbeitslosigkeit liegt vergleichbar bei etwa 6%. Auch Eskiltuna hat mit einer ebenfalls eher ländlichen Umgebung, vergleichbar zur Region Ostbrandenburg, zwar auch freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze, aber aufgrund der Entfernungen nicht die besten Beschäftigungsperspektiven für junge Migrant*Innen. Viele Zuwanderer bleiben vor allem deshalb dort, weil schon Bekannte oder Verwandte vor Ort sind, dort Wohnungen oder Arbeit haben. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass es im Land Brandenburg wie rund um Eskiltuna viele Menschen gibt, die der schwedischen Zuwanderungspolitik und ihrer Umsetzung in den vergangenen Jahren kritisch gegenüberstehen, was auch dort bei den Wahlen zu Veränderungen in der Parteienlandschaft und in der Zusammensetzung der kommunalen Regierungen geführt hat. Im Unterschied zu uns, ist in Schweden das System zur Integration deutlich fordernder. So berichteten die schwedischen Gäste, dass dort alle Zuwanderer, die beispielweise schon Berufserfahrungen haben, trotzdem generell noch einmal eine Ausbildung absolvieren und bei Null anfangen müssten, bevor sie arbeiten dürfen. Dort müssten außerdem für eine betriebliche Ausbildung jeweils mit dem infrage kommenden Unternehmen individuelle Ausbildungskonzepte ausgearbeitet werden, anders als in Deutschland, wo es schon lange ein etabliertes, funktionierendes System betrieblicher Ausbildung gibt. Dieses individuelle Vorgehen sei zeitintensiv. Dort gäbe es ein wesentlich kleineres Netz mit Institutionen für unterstützende Maßnahmen für Firmen und Auszubildende oder Jobstarter, das Angebote macht, die Abbrüche verhindern sollen. In Schweden erbringen die Beratungs- und Vermittlungsleistungen, die hier u.a. von Projekten wie KAUSA und bea erbracht werden, vor allem die Arbeitsagenturen und allenfalls staatliche Institutionen. Das vereinfache Vieles, führe aber andererseits auch zu weniger Flexibilität und Kapazitätsproblemen. Verglichen wurden auch die Deutschkurse: Während es in Deutschland keinen zentral gesteuerten Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen gibt und bei Nichtteilnahme an geförderten Kursen praktisch nicht sanktioniert wird, muss in Schweden jeder Zuwanderer ein zweijähriges-Pflichtprogramm absolvieren, das etwa 60 bis 70% der Zuwanderer mit B2-Sprachkenntnissen abschließen. Die Erfahrung zeigt hier, dass Migrant*Innen und Flüchtlinge ca. 5 – 7 Jahre Zeit benötigen, bis sie genug Sprachkenntnisse haben und fachliche Kenntnisse aus anschließenden Aus- und Weiterbildungen, Praktika oder Kurzzeit-Jobs mitbringen, bis sie mit guter Perspektive im ersten Arbeitsmarkt ankommen.

Im Gegenzug berichteten bea und KAUSA über ihre Arbeit in den Projekten. Denn ein wichtiger Punkt im Besuchsprogramm der Delegation war, die Betriebliche Begleitagentur bea-Brandenburg und der KAUSA-Servicestelle Brandenburg, die hier mit unterschiedlichen Ansatzpunkten für die berufliche Integration von Flüchtlingen tätig sind, kennenzulernen.

Die Mitarbeiter der Betrieblichen Begleitagentur berichteten mit praktischen Beispielen von den Erfahrungen bei der Vermittlung und betrieblichen Integration Geflüchteter in Arbeit. Hierbei wurden u.a. Empfehlungen für den Spracherwerb im Betrieb gegeben und über die Möglichkeiten zur Förderung interkulturellen Lernens gesprochen. Als konkretes Instrument zur Beschäftigungsförderung stellte das bea-Team den Jobloq, ein mehrsprachiges Online Bewerbungstool für Geflüchtete vor (siehe: https://www.jobloq.de/).

Die KAUSA-Servicestelle Brandenburg gab danach einen Überblick über die Funktionsweise des dualen Ausbildungsmodells in Deutschland und stellte ihre Erfahrungen aus mehr als 150 Erst- und Einzelberatungen sowie die Arbeitsergebnisse aus dem ersten Projektjahr vor. Sie ging dabei auch auf die Hürden ein, die im aktuellen Ausbildungsjahr noch dazu geführt haben, dass die grob geplante Anzahl von mit Flüchtlingen besetzten Ausbildungsplätzen noch nicht ganz erreicht werden konnte. Denn, wie in Schweden ist auch in Ostbrandenburg Mobilität eines der größten Hemmnisse für junge Menschen in ländlichen Regionen, die größere Entfernungen zwischen Berufsschul-, Arbeits- und Wohnort zu überwinden haben. Dazu kommt hier, dass die guten beruflichen Perspektiven in einer Vielzahl von Ausbildungsberufen vielen Geflüchteten noch nicht bekannt sind, dass sie den Sinn einer mehrjährigen Ausbildung erst allmählich verstehen und oftmals die fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen für eine Berufsausbildung noch nicht erfüllen. Insofern seien Beratungsangebote für Migrant*Innen, junge Menschen mit Fluchthintergrund und ihre Eltern in Brandenburg unverzichtbar. Auch auf Unternehmensseite gibt es großen Informations- und Beratungsbedarf. Hauptansprechpartner für KAUSA sind hier zwar KMU, aber diese sind aktuell auch aus konjunkturellen und Kapazitätsgründen nur schwer zu erschließen. In Brandenburg, so Charlotte Kruhøffer, die Projektleiterin von KAUSA, hätten die Unternehmen ohnehin erst wenig Erfahrung mit ausländischen Mitarbeiter*Innen. Das sei manchmal ein Vorteil, manchmal ein Nachteil. In Deutschland seien außerdem die Anforderungen an formale Qualifikationen oft sehr streng. Hier brauche es noch etwas Zeit, bis die Migrant*Innen das verstehen und aufholen könnten. Sie wies auch darauf hin, dass es zwischen den Ausbildungsberufen große Unterschiede in der Höhe der Ausbildungsvergütung gäbe, was z.B. die Entscheidung für bestimmte Berufe, in denen es viele offene Stellen gibt, erschweren würde.

Interessant waren natürlich nach den Projektpräsentationen besonders die Gespräche und die Abschlussdiskussion, die sich mit den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Herangehensweisen beider Länder an das Thema berufliche und soziale Integration von Migrant*Innen und insbesondere von Flüchtlingen beschäftigten. Beeindruckt hat die Gäste vor allem, die enge Vernetzung der Projekte hier, die Zusammenarbeit, aber auch der Austausch von Ideen und die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen, die das Ziel haben, Migrantinnen und Migranten unterschiedliche Angebote zu machen, auf sie zuzugehen und sie für die Ausbildung und Beschäftigung im Land zu gewinnen.

Dieser Studienbesuch wurde von der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg und vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) des Landes Brandenburg organisiert.